Kunst sehen, Wahrnehmung gestalten: Studierende der Universität Witten/Herdecke bringen Kunst-Literatur heraus

Es gleicht einer Detektivarbeit: Studierende stöbern durch Dias, brüten über dreißig Jahre alten Vorlesungs-Transkripten und ziehen handschriftliche Aufzeichnungen zu Rate. Die Mühe lohnt sich, denn in diesen Unterlagen steckt das Lebenswerk des Kunstwissenschaftlers Michael Bockemühl. Gemeinsam mit ihrem Dozenten Dr. David Hornemann v. Laer, selbst Kunstwissenschaftler und Mitarbeiter am WittenLab. Zukunftslabor Studium fundamentale der Universität Witten/Herdecke (UW/H), veröffentlichen sie zwei Kunst-Bände zu Bockemühls Vorlesungen. Diese erscheinen am 03. Dezember 2024 im INFO3 Verlag. 

In den 1990er-Jahren füllte Bockemühl mit seiner öffentlichen Vorlesungsreihe „KUNST SEHEN“ regelmäßig den Wittener Saalbau. Sein origineller Ansatz, über das Sehen an Kunst heranzuführen, begeistert Studierende, Wittener Bürger:innen und Kunstexpert:innen gleichermaßen. Der Tenor: Um Kunst zu verstehen und zu genießen, braucht es ein wachsames Auge und vertieftes Wahrnehmen. Studierende der UW/H sind noch heute fasziniert von Bockemühls Anregungen. Bei der Herausgabe der Buchreihe bringen sie sich aktiv ein und halten im Nachwort ihre eigenen Eindrücke fest.

„Wir müssen die Fähigkeit zurückerlangen, auf unsere Wahrnehmung und unser Urteilsvermögen zu vertrauen.“

Im Fokus der beiden Publikationen stehen Bockemühls Ausführungen über die Arbeiten des deutsch-französischen Malers und Bildhauers Hans Arp sowie über die des englischen Bildhauers und Zeichners Henry Moore. Die neuen Bände reihen sich ein in eine Sammlung von inzwischen 19 veröffentlichen Werken. „Das Projekt hat vor zehn Jahren seinen Anfang genommen“, berichtet Dr. Hornemann v. Laer. „Ich habe Aufzeichnungen von Bockemühls Vorlesungen mit in mein Seminar gebracht. Die Studierenden waren sich einig, dass wir der Öffentlichkeit diese großartige Arbeit nicht vorenthalten dürfen. Schnell konnten wir auch einige wohlwollende Unterstützer wie die Software AG – Stiftung, die Rudolf-August Oetker-Stiftung, die Werner Richard – Dr. Carl Dörken Stiftung, die Damus-Donata-Stiftung, die Wittener Universitätsgesellschaft e. V. und das Integrierte Begleitstudium Anthroposophische Medizin der Universität Witten/Herdecke für unser Vorhaben gewinnen.“ Als Assistent und Doktorand arbeitete Dr. Hornemann v. Laer viele Jahre mit Bockemühl zusammen. Seine Methode gibt er heute an Studierende weiter und ist sich sicher, Bockemühls Ansatz ist relevanter denn je: „In Zeiten von Informationsüberfluss und KI ist es für uns immer schwieriger, zur Wirklichkeit durchzudringen. Das ungefiltert zugängliche Wissen schiebt sich wie ein Brett vor unsere Augen. Wir müssen die Fähigkeit erlangen, dieses Brett wegzuziehen, um uns auf unsere Wahrnehmung konzentrieren zu können und dadurch unser Urteilsvermögen zu schärfen.“

Studium fundamentale: Mehr als ein Studium

Dr. Hornemann v. Laers Kurs ist Teil des Studium fundamentale (Stufu) an der Universität Witten/Herdecke. Das Stufu bringt Studierende unterschiedlicher Studiengänge in Lehrveranstaltungen zusammen, in denen sie sich ausprobieren und über ihre eigentliche Fachrichtung hinausblicken können. Aus dem Perspektivwechsel und der Wahrnehmungsschulung nehmen sie wertvolle Kompetenzen mit, die ihnen nicht nur im Alltag, sondern auch im späteren Berufsleben zugutekommen.

Weitere Informationen: 

Prof. Dr. Michael Bockemühl (1943-2009) war Kunstwissenschaftler, Hochschullehrer und Vortragsredner. 1990 wurde er an die Universität Witten/Herdecke berufen. Dort hatte er den Lehrstuhl für Kunstwissenschaft, Ästhetik und Kunstvermittlung inne und war in den Zeiträumen 1994 bis 1998 und 2007 bis 2009 Dekan der damaligen Fakultät für das Studium fundamentale, an dessen Konzeption und Gründung er maßgeblich beteiligt war.

Nähere Informationen zum Projekt „KUNST SEHEN“ finden Sie hier.