Big Data in der Terrorismusbekämpfung: Ist Massenüberwachung ethisch vertretbar?

Zwei Überwachungskameras filmen die Umgebung.

Regierungen und Sicherheitsbehörden weltweit nutzen zunehmend Überwachungsmethoden, um der Bedrohung durch islamistischen Terrorismus entgegenzuwirken. Das zeigt sich etwa in Berichten von Organisationen wie der Freedom House, an Gesetzen zur Informationssammlung und -speicherung, die in den vergangenen Jahren u. a. in Großbritannien erlassen wurden, oder in geleakten Dokumenten wie denen von Edward Snowden. Doch inwieweit lässt sich diese Praxis ethisch rechtfertigen? Dieser Frage gehen Alexander Ritter, Absolvent des Studiengangs „PPE – Philosophy, Politics und Economics“, und Prof. Dr. Jens Harbecke, Inhaber des Lehrstuhls für Theoretical Philosophy and Philosophy of the Social Sciences an der Universität Witten/Herdecke (UW/H), in ihrem neuen Beitrag nach, der in der renommierten Zeitschrift „Studies in Conflict and Terrorism“ veröffentlicht wurde.

Massenüberwachung kann ethische Probleme und Terror fördern

Den Forschern ging es insbesondere darum, die zu erwartenden positiven Effekte und die möglichen negativen Folgen ethisch abzuwägen. Alexander Ritter: „Wir haben uns Indizien angeschaut, die darauf hinweisen, dass eine enge massenhafte Überwachung unbeabsichtigt zur Entstehung islamistischer Gewalt beitragen kann.“

Für ihre Untersuchung haben die Wissenschaftler ein sogenanntes bayesiantisches Modell aufgestellt. Damit können sie untersuchen, wie wahrscheinlich es ist, dass die Überwachungsmechanismen tatsächlich den korrekten Gefährder identifizieren. Zudem lassen sich die Fehlidentifikatoren von Verdächtigen und die Performativität von Überwachungen einbeziehen. Die Performativität beschreibt die Tatsache, dass Maßnahmen zur Verhinderung von Terror selbst zur Entstehung islamistischer Gewalt beitragen können. „Unsere Ergebnisse legen den Schluss nahe, dass massenhafte Überwachung in Teilen ein Rechtfertigungsproblem hat“, so Harbecke. „Fehler bei der Identifizierung von Verdächtigen können unnötige Belastungen für viele unbeteiligte Bürger zur Folge haben, und die Überwachung einzelner Personen kann diese erst zur Tat motivieren.“

Trotz der kritischen Ergebnisse sprechen sich die Autoren nicht grundsätzlich gegen massenhafte Überwachung aus. „Es ist schon so, dass solche Maßnahmen einen unbestreitbaren Beitrag zur Terrorismusbekämpfung leisten können“, betont Alexander Ritter. „Vielmehr argumentieren wir für mehr Einbettung und Transparenz solcher Maßnahmen, um ihre möglichen negativen Folgen abzumildern.“

Damit leisten Alexander Ritter und Jens Harbecke einen wichtigen Beitrag zur Debatte über die ethischen Folgen von Big Data-basierter Überwachung und betonen die Wichtigkeit einer ausgewogenen Bewertung der möglichen Vor- und Nachteile.


Weitere Informationen: Publikationsdetails: Ritter, A. & Harbecke, J. (2024-onlinefirst). Counter-Terrorism: The Risk of Performativity in Big Data-Based Mass Surveillance. Studies in Conflict and Terrorism. DOI: 10.1080/1057610X.2024.2341447

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